Orbitalgeschwindigkeit

Ich habe diesen Artikel nur übersetzt und ein wenig adaptiert, aber nicht selbst geschrieben. Das Original stammt vom Urheber einer der Perlen des Internets, Randall Munroe: https://xkcd.com

Wenn Raumschiffe durch die Atmosphäre zur Erde zurückkommen, „fallen“ sie einfach herunter und nutzen einen Hitzeschild um zu bremsen. Warum zündet es nicht stattdessen einfach seine Raketen und landet kontrolliert?

Die Marsmission mit dem Roboterauto Curiosity hatte einen Skycrane mit: ein mit Raketen bestücktes Gerüst, das bremst und den Rover dann sanft absetzt. Warum macht man das nicht auf der Erde auch?

Die Antworten auf diese Fragen lassen sich auf das selbe Prinzip zurückführen: Es ist nicht schwer in eine Umlaufbahn zu fliegen weil sie so hoch oben ist, sondern es ist schwer in eine Umlaufbahn zu fliegen, weil man dafür so schnell sein muss!

Weltall geht so:

Nicht so:

Der Weltraum beginnt ungefähr 100 Kilometer über der Erdoberfläche. Das ist auf den ersten Blick recht weit, andererseits ist die Luftlinie zwischen Wien und dem Meer (in diesem Fall: Triest) doppelt so weit. Anders ausgedrückt: Der Weltraum ist näher bei Baden als Linz.

In den Weltraum fliegen ist einfach, besonders in niedrige Umlaufbahnen, dort wo sich die ISS befindet oder wo die Space Shuttles hingeflogen sind. Eine relativ kleine Rakete, so groß wie ein Telefonnmast (7 Meter), ist stark genug um eine Person bis ins Weltall zu befördern. In den 1960er Jahren hat das Forschungsflugzeug X-15 (Mach 6,7: 7300 km/h) zwei Mal den Weltraum erreicht, mit der Methode schnell-fliegen und nach-oben-lenken.

Das Problem ist, dass man, sobald man oben angelangt ist, gleich wieder herunterfällt. Rauf kommen ist leicht, oben bleiben ist die Herausforderung!

Die Erdanziehung in einer erdnahen Umlaufbahn ist fast so stark wie auf der Erde selbst. Die ISS zum Beispiel ist der Anziehungskraft überhaupt nicht entkommen, sie wird dort oben mit ca. 90 % der Kraft angezogen, die wir auf der Erdoberfläche spüren.

Warum fällt nun die ISS nicht herunter? Wie bleibt man da oben? Indem man – bezogen auf das obige Bild – sehr, sehr schnell seitwärts fliegt! Die ISS fliegt genau so schnell zur Seite, wie sie nach unten fällt, dadurch beschreibt sie einen Kreis um die Erde. Die Astronauten, die sich ja mit der Raumstation mitbewegen, spüren weder die Geschwindigkeit noch die Erdgravitation, die sind schwerelos.

Die Geschwindigkeit, die man haben muss, um oben zu bleiben, beträgt fast 8 km/s und sinkt bei steigender Höhe. Das sind 28 800 km/h! Nur ein Bruchteil der Energie einer Rakete wird genutzt, um auf die entsprechende Höhe zu kommen, der überwiegende Teil wird für das Erreichen dieser Orbitalgeschwindigkeit genutzt!

Somit sind wir beim zentralen Problem der Raumfahrt: Das Erreichen dieser Orbitalgeschwindigeit braucht viel mehr Treibstoff als das Erreichen des Orbits selbst. Ein Raumschiff auf knapp 28 800 km/h zu beschleunigen braucht starke Raketen, die wiederum riesige Mengen an Treibstoff benötigen. Wenn das Raumschiff dann noch zusätzlich genügend Treibstoff haben müsste um wieder abbremsen zu können, wäre das extrem unpraktisch.

Ein kleines Rechenbeispiel:

Die aktuellen Raketenantriebe sind zwar sehr stark, benötigen aber sehr viel Treibstoff. Um eine Rakete 1 km/s schneller werden zu lassen, muss sie 40 % ihrer Leermasse an Treibstoff mitnehmen. Aus einer Rakete mit leeren Tanks, die eine Tonne wiegt, werden also vollgetankt 1,4 Tonnen.

Nun brauchen wir aber 8 km/s, wir müssen also 8 Mal mit 1,4 multiplizieren, der bereits getankte Treibstoff muss ja auch mitfliegen:

1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4
=
1,48
=
fast 15!

Eine Ein-Tonnen Rakete (Gehäuse, Nutzlast, Besatzung) hat also vollgetankt die Masse von 15 Tonnen. Darum sind unsere Raketen so riesig, sie bestehen zum Großteil aus Raketentreibstoff und man braucht Unmengen davon. Wenn die Rakete oben ist, ist der Treibstoff verbraucht, die Rakete ist nur mehr eine leere Hülle, wird abgeworfen und verglüht oder landet im Meer.

Um nun abbremsen zu können, müsste unser Raumschiff diese 8 km/s wieder abbremsen, um weich landen zu können. Dafür braucht sie wieder Treibstoff und zwar leider nicht doppelt so viel, sondern wieder pro km/s um jeweils diesen Faktor 1,4 mehr:

1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4 x 1,4
=
1,416
=
fast 218!

Aus einer Tonne werden 218 Tonnen. Sowas kann man nicht vernünftig bauen.

Aus diesem Grund haben bis jetzt alle unsere Raumschiffe die Atmosphäre als Bremse genutzt. Sie gleiten einfach möglichst flach in die immer dichter werdende Luft und brauchen dafür nur eine hitzebeständige Beschichtung, um nicht zum Glühen oder Brennen zu beginnen (aus Keramik: das Space Shuttle war auf der Unterseite gefliest)

Auch Curiosity auf dem Mars wurde zwar von seinem SpaceCrane mit Raketen verlangsamt und dann auf Seilen abgelassen, aber nur die letzten paar Meter. Davor war die Atmosphärenbremsung das Mittel der Wahl.

Wie schnell ist das überhaupt, 8 km/s?

Wenn man Bilder von Astronauten im Orbit sieht, hat man den Eindruck, dass die dort oben gemütlich über unserer blauen Murmel schweben. Das tun sie aber nicht, sie rasen extrem schnell dahin! In den Abendstunden kann man die ISS als hellen Punkt am Himmel fliegen sehen und wenn man 90 Minuten wartet, sieht man sie wieder. In diesen 90 Minuten ist sie einmal um die Erde herum geflogen. (Das geht nur am Abend oder in der Früh. In der Nacht sieht man sie nicht, da ist sie im Erdschatten und wird von der Sonne nicht beleuchtet) Apropos ISS

Wenn man an einem Ende eines Fußballplatzes steht und ein Gewehr abfeuert, ist die ISS am anderen Ende angelangt, während die Gewehrkugel erst 9 Meter weit geflogen ist.

Um zu uns vorstellen zu können, wie schnell das ist, nehmen wir ein bekanntes Lied: Den Hit I’m gonna be (500 miles) von der Band The Proclaimers von 1988 („But I would walk 500 miles…)

Wir klopfen den Takt mit und überlegen uns, wie weit wir mit der ISS auf der Erde kämen, währen das Lied im ISS-Radio spielt. Das Lied hat 131,8 beats per minute. Ein beat, also ein Mal Fußwippen, entspricht einer Strecke von 3,6 Kilometern.

Die erste Zeile des Refrains hat 2 Takte, also 8 Beats, das entspricht 29 km. Wenn man auf der Westautobahn von Wien bei km 0 wegfährt, ist man nach zwei Zeilen schon bei St. Pölten Süd, nach vier Zeilen bei Amstetten:

But I would walk 500 miles(Knoten Steinhäusl)
And I would walk 500 more(St. Pölten Süd)
Just to be the man who walks a thousand miles(Pöchlarn)
To fall down at your door(Amstetten)
Dadada da (dadada da) Dadada da (dadada da)(Haag)
Da da dun diddle dun diddle dun diddle dun dun da(Traun)

Am Ende des Liedes ist die Westautobahn schon lange vorbei und man befindet sich an der Atlantikküste in der Bretagne in der Nähe von Nantes. Oder in Athen, falls man von Wien aus in Richtung Südosten gestartet ist. Mit dem Flugzeug, also Luftlinie, wäre man z.B. in Dublin oder in Ankara.

Aber bei der ISS ergibt sich ein bemerkenswerter Zufall: Das ganze Lied ist 3:30 lang und die Geschwindigkeit, mit der die ISS fliegt, beträgt 7,66 km/s. Wenn sich also ein Astronaut auf der ISS „I’m gonna be“ anhört…

…fliegt er umgerechnet ziemlich exakt 1000 Meilen weit!