Oh James…

Das ist wieder ein Beitrag mit Musik, es gibt viel zu Hören! Diesmal direkt eingebettet, ohne Spotify oder sowas, einfach bei den Beispielen auf play klicken. Plus das eine oder andere Youtube-Video zum Abschweifen.

Ich liiiebe James Bond-Filme. Und die Bond-Darsteller, manche mehr, manche weniger. Und die Bösewichte! Herrlich, wie sie wahnsinnig auf einer Insel hocken und gefangen sind in ihrem Dilemma, ihre Pläne verraten zu müssen. Und das Bestreben, James Bond auf möglichst komplizierte Art und Weise aus dem Weg räumen zu lassen, damit es auch ja schief geht. Aber trotz aller Klischees und Fixpunkte gilt es, eines nicht zu vergessen: Die Bond-Songs! Ganz wunderbare Lieder, und jedes unverkennbar ein Bond-Song.

Was mich schon lange beschäftigt, ist die Frage: Was macht denn eigentlich einen Bond-Song zu einem Bond-Song? Reicht es, dass sie einfach Titellieder zu bestimmten Filmen sind? Oder gibt es sonst noch ein verbindendes Etwas? Wenn ja, welches? Und was für Filme haben heutzutage noch Titellieder?

Das allseits bekannte Dam-Dadldamdam-DamDamDam… auf der tiefen Saite einer E-Gitarre gespielt scheint ja ein guter Kandidat zu sein:

Aber das kommt nur ein einziges Mal vor: beim Stück namens „James Bond Theme“ von John Barry vom ersten Film aus 1962: James Bond jagt Dr. No. Es kommt später möglicherweise vereinzelt in den Filmen vor, aber definitiv nie wieder in einem der Titellieder. Ist vielleicht die dem Vorigen zugrunde liegende Harmoniefolge das bessere Bond-Thema?

Bond-Motiv

Diese Halbton-Progression ist möglicherweise das eheste, was man sofort mit James Bond verbindet. Dieses Tonbeispiel ist, jedenfalls für meine Zwecke, das ideale Bond-Thema, wenn man es hört, denkt man sich sofort: Aaaah! Bond! Außerdem kommt es immer wieder mal vor, wir nehmen also dieses und nennen es Bondmotiv.

Wir hören es in E-Moll, also schreibe ich es auch so hin:

Bondmotiv

Das, was da passiert, kann man mehrfach deuten:

  • E-Moll -> verminderter Sextakkord -> reiner Sextakkord -> und retour.
  • E-Moll -> Äolisch -> Dorisch -> und retour
  • E-Moll -> Erste Umkehrung C-Dur über E -> zweite Umkehrung großer A-Dur Septakkord ohne Grundton auch über E -> und retour

Diese Harmoniefolge (Em-C-A) begegnet uns öfter in der Bondsonggeschichte, leicht abgewandelt dann auch im Bondintervall (C – As, und später auch noch F), dazu kommen wir aber noch.

Es gibt bis heute (November 2020) 25 offizielle Filme aus der James Bond Reihe von Eon-Productions, plus einen extra: Im Jahre 1983, zum Ende der Roger Moore Ära, wurde Thunderball neu verfilmt, als Sag niemals nie mit Sean Connery, Kim Basinger und Klaus Maria Brandauer. Obwohl nicht offiziell, kann man diesen Film einfach nicht auslassen, ich beziehe also 26 Filme mit 26 Bondsongs in meine Überlegungen mit ein.

Ich habe diese 26 Songs jetzt schon sehr, sehr oft gehört und habe aus meinem Hörerlebnis neun immer wieder kehrende Kriterien destilliert, die meiner Meinung nach einen Song zu einem Bondsong machen. Ich teile die Kriterien in drei Gruppen ein: Musik, Stil und Meta. Das alles ist jetzt sicher ein musiktheoretischer Vollholler, aber um das gehts mir nicht, ich will nur wissen, was in einem Bond-Song passiert! Das ganze Projekt hier ist ja subjektiv-laienhaft, so soll es ja auch sein.

Kriteriumgruppe: Musik

Das Bondmotiv haben wir schon kennen gelernt, das ist das erste Kriterium. Nicht minder markant ist jedoch der wunderbare Bondakkord:

Ein Cmmaj7/9, also C-Moll mit großer Septime und großer None. Man hört hier u.a. H, C, D, Es gemeinsam, man könnte auch versuchen, mit einem Telefonbuch Klavier zu spielen. Aber aufgeteilt, möglichst über alle Register eines Orchesters gespielt, klingt das hervorragend. Funktioniert aber auch ganz intim nur auf Gitarre. Hier kommen alle Akkorde aus 58 Jahren Bondgeschichte, bewusst nicht chronologisch:

Bond-Akkord

Viele sind Schlussakkorde. Mitunter kommen sie auch in der Mitte der Nummern vor, aber da ist dann meistens Gesang dabei, den kann ich nicht rausschnipseln.

Auf diese ersten beiden Kracher, Motiv und Akkord, folgt der nächste, haltet Euch fest: Seit Goldfinger kennt die Welt das Bond-Intervall.

Bondintervall

C-Dur zu As-Dur, mit jeweils der Terz in der Melodie, also E und C mit Trompete oder Keyboard oder was halt heraussticht extra betont. BÄÄM-BÄÄÄÄÄM!!!!
Seit 14 Jahren, seit James Bond von Daniel Craig verkörpert wird, haben wir in der Nummer You Know My Name von Chris Cornell nach As-Dur noch ein F-Dur dazu bekommen. Das haben Alicia Keys/Jack White und die Billie Eilish übernommen, ich denke, das bleibt uns jetzt. Hört mal, da sind sie alle, diesmal chronologisch:

Okeee, irgendwann rutscht der erste Akkord von der Dur in die Moll, aber Dur, Moll, was ist das schon. Und die Adele vermantscht einfach Bondmotiv mit Bondintervall, aber wer sagt denn, dass Kunstschaffende meine Kriterien von einander trennen müssen: Die Adele darf das.

Dieser Terz-Sprung in Dur gefällt mir persönlich ja besonders gut. Immer wieder kommt das vor, bei Soundgarden oder bei Nirvana beispielsweise (Sorry für diese schrägen 90er-Videos: Es geht nur um die Musik, nicht um die Bilder). Ich habe mir sagen lassen auch beim Schubert, ich kenne nur leider keine Stelle.

Es gibt noch ein viertes Musik-Kriterium: Eine Halbtonmelodie. Es ist ein wenig schwammig, ich kann vor allem nicht alle Beispiele zusammenschneiden. Mir ist es halt aufgefallen: Analog zum Bondmotiv oder zum allerersten Gitarrenthema, Dam-Dadldamdam… haben viele – nicht alle! – Bondsongs eine Melodie, die mit Halbtonschritten operiert, ohne direkt das Bondmotiv zu zitieren.

The World Is Not Enough

Unten dann, wenn ich jeden einzelnen Bondsong beschreibe, erwähne ich es. Wer sich bis jetzt gefragt hat, ob ich eh zu allen Bondsongs was schreiben werde: Aber hallo, natürlich!

So. Vier Musik-Kriterien: Bondmotiv, Bondakkord, Bondintervall, Halbtonmelodie.

Kriteriumgruppe: Stil

Übertriebener Einsatz von Blechbläsern ist gaaanz wichtig bei Bondsongs. Obwohl, soviel kann ich jetzt schon verraten: nur 58 % der Nummern setzten sie ein, diese Bläserfanfaren, am besten mit so Abflusspömpel-Gummi-WahWah-Dämpfern.

Blechbläser

Ups, das endet ja in einem Bondakkord, den hab ich oben vergessen! Egal, den gibts als Zuckerl jetzt dazu.

Nächstes Stilkriterium: ein jazziger Bigbandsound. Wobei ich mit Bigband nicht den Jazzstil der Swing-Ära meine, sondern sowas wie „Großes Tanzorchester“. Oder Besser: Filmmusikorchester. „Wie viele Instrumente wollen Sie?“ – „Ja.“ Das mag man gerne beim Bondsong, obwohl nur knapp über ein Drittel aller Songs dieses Kriterium aufweist.

Und dann noch das meiner Meinung nach wichtigste Stilkriterium: Wie mondän ist die Nummer? Mondän… Was meine ich damit? Elegante Garderobe: Abendkleid, Smoking. Nachtclub oder Casino. Irgendwo auf der Welt, wo es reich und exotisch zugeht. Wodka-Martini, geschüttelt, nicht gerührt. Halb geschlossene Augenlider. Laid-back gespielte Musik, also mit leicht schleppendem Rhythmus. Nicht zu hektisch! Man hat Stil, man hat Zeit. Das meine ich mit mondän. Nicht alle Bond-Nummern haben das! Viele, aber nicht alle.

Somit drei Stilkriterien: Bläser, Big-Band-Jazzig, Mondän.

Kriteriumgruppe: Meta

Also da haben wir einerseits den Text. Es gibt ja Bondsongs, da geht es um James Bond himself, dann gibt es welche, da geht es um den Bösewicht. Bei vielen hingegen geht es um irgend ein anderes Thema, zwei haben überhaupt keinen Text. Ich unterscheide also: Hat die Nummer einen Text, der etwas mit der Bond-Welt zu tun hat oder nicht?

Und andererseits gibt es die Diva-Frage. Singt eine Person, die eine erfolgreiche Gesangskarriere hinter sich hat oder noch an der Spitze derselben steht? Die ein wenig Glanz und Glamour in die Sache bringt? Paillettenkleider? Die Shirley Bassey als James-Bond-Song-Diva ist der Prototyp, aber es gibt noch andere: Gladys Knight, Tom Jones, Tina Turner, etc. Wir fragen also: Singt eine Diva, oder singt keine?

Zwei Metakriterien: Bondtext und Diva.