Ich habe diesen Artikel nur übersetzt und ein wenig adaptiert, aber nicht selbst geschrieben. Das Original stammt vom Urheber einer der Perlen des Internets, Randall Munroe: https://xkcd.com
Wenn es eine Feuerwehr-Rutschstange gäbe, vom Mond bis zur Erde, wie lange könnte man da runterrutschen?
Zur Beantwortung dieser Frage muss man zuerst einmal ein paar grundlegende Dinge klären.
Man kann keine Metallstange vom Mond bis zur Erde bauen. Das Ende beim Mond würde von der Mondgravitation zum Mond, und das andere Ende von der Erdgravitation zur Erde gezogen werden. Die Stange würde irgendwo dazwischen reißen, sozusagen an ihren eigenen Gewichten.

Das nächste Problem: Der Mond fliegt langsamer um die Erde als sich die Erde um sich selbst dreht. Das Ende, das auf der Erde angeschraubt ist, würde relativ schnell abbrechen.

Und noch etwas: Der Mond-Erde-Abstand ist nicht immer gleich! Die Umlaufbahn des Mondes ist wie alle Bahnen im Sonnensystem elliptisch, also lässt sie den Mond mal näher, mal weiter weg von der Erde fliegen. Verglichen mit dem weiten Weg zwischen der Erde und dem Mond ist es nicht viel, aber die untersten 50.000 km der Feuerwehrstange würden einmal im Monat auf die Erde gequetscht werden – oder besser: durch, der Durchmesser der Erde beträgt ja nur 12.000 km.
Aber wenn man diese kleinen Probleme ignoriert, wie wäre es mit einer Feuerwehrstange, die vom Mond herunterbaumelt, knapp über der Erdoberfläche endet und sich stetig verlängert und verkürzt damit sie nicht anstreift? Was passiert, wenn man auf dieser Stange vom Mond zur Erde rutscht?
Wenn man am Mond steht, sozusagen am Anfang der Stange, ergibt sich noch eine kleine Schwierigkeit: Um auf dem Mond stehend zur Erde zu rutschen müsste man die Stange hinaufrutschen. Aber so funktioniert Rutschen nicht!

Anstatt zu rutschen, müssen wir klettern.
Menschen können ziemlich schnell klettern. Es gibt Stangenkletter-Wettbewerbe, dort liegt der Rekord bei knapp über einem Meter pro Sekunde. Auf dem Mond ist die Gravitation um einiges schwächer als auf der Erde, hier ist das Klettern leichter. Allerdings muss man hier im Vergleich zur Erde einen Raumanzug tragen, was den Gravitationsvorteil möglicherweise wieder aufhebt.
Wenn man weit genug die Stange hinaufklettert, übernimmt die Erdanziehung und man wird „hinunter“ (hinauf?) gezogen. Aber wie weit ist weit genug? Während man an der Stange hängt, wirken immer drei Kräfte: Die Erdanziehung zieht zur Erde, die Mondanziehung zum Mond und an der Stange, die sich ja mit dem Mond um die Erde dreht, zieht die Fliehkraft nach außen, weg von der Erde.
Zuerst ist die Summe aus Mondgravitation und Zentrifugalkraft größer als die Anziehung der Erde. Aber je näher wir zur Erde klettern, wird die Erdgravitation stärker und diese nimmt überhand. Die Erde ist ziemlich groß und schwer, der Punkt, an dem sich die beiden Kräfte aufheben, ist also relativ nahe beim Mond.

Dieser Punkt ist der Lagrange-Punkt L1. Unglücklicherweise ist der Weltraum sehr, sehr groß, also ist „relativ nahe“ trotzdem sehr, sehr weit. Auch wenn wir schneller als der derzeitige Stangenkletterweltrekord klettern, brauchen wir mehrere Jahre bis wir bei L1 angelangt sind!
Je näher man in die Nähe von L1 kommt wird man immer leichter und man kann die Fortbewegungsart ändern: Vom Klettern zu Abstoßen-und-Gleiten. Man stößt sich an der Stange in Richtung Erde ab und fliegt dann ein Stück. Wenn man bis zum nächsten Abstoßen nicht bis zum Stillstand wartet und sich vorher schon abstößt, kann man immer weiter beschleunigen, so wie man das z.B. auf einem Skateboard oder einem Tretroller macht.

Irgendwann kommen wir tatsächlich in die nähere Umgebung von L1 und wir spüren fast keine Gravitation mehr. Das Einzige, was die Gleit-Geschwindigkeit nun limitiert, ist wie schnell wir uns an der Stange abstoßen, also diese nach hinten werfen können. Profi-Baseballspieler schaffen es, Bälle mit ca. 150 km/h zu werfen, viel schneller werden wir also nicht werden.
Eine wichtige Anmerkung: Man sollte beim Abstoßen-und-Gleiten darauf achten, nicht außerhalb der Armreichweite zu gleiten! Am besten verwendet man eine Art Sicherheitsleine.

Nach ein paar Wochen Stangengleiten übernimmt schön langsam die Erdanziehung die Arbeit und beschleunigt uns schließlich auf ein Tempo, das wir mit Abstoßen nicht erreichen können, wir werden also immer schneller. Bald sollten wir uns also Gedanken darüber machen, nicht zu schnell zu werden!
Die Erde beschleunigt uns anfangs nur unmerklich, aber wenn wir nichts dagegen unternehmen, werden wir die Atmosphäre mit annähernd Fluchtgeschwindigkeit erreichen, das wären dann rund 11 km/s (knapp 40 000 km/h). Bei dieser Geschwindigkeit würde man durch die entstehende Hitze recht schnell beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglühen.
Raumschiffe verstecken sich in so einer Situation hinter einem Hitzeschild, das diese Hitze aushalten und um das Raumschiff herumleiten kann. Wir haben allerdings im Gegensatz zu Raumschiffen unsere praktische Stange, um uns durch Reibung durch Festklammern abbremsen zu können!

Man sollte darauf achten, dass die Geschwindigkeit während des gesamten Herunterrutsch-Vorganges nicht zu hoch wird, um jederzeit Pausen beim Bremsen einlegen zu können, um die Hände oder Bremsbacken abkühlen zu lassen.
Wenn man sich auf die vorhin erwähnten 11 km/s beschleunigen lässt, um in den letzten Minuten alles auf einmal abzubremsen, sollte man sich auf einige äußerst unangenehme Überraschungen vorbereiten sobald man nach der Stange greift.
Im besten Fall werden wir einfach weggeschleudert, die Sicherheitsleine reißt und wir stürzen zu Tode. Im schlechtesten Fall werden unsere Hände und die Oberfläche der Rutschstange durch die hohe Reibungshitze an der Stange in aufregende neue Formen von Materie umgewandelt und dann werden wir weggeschleudert und stürzen zu Tode. 11 km/s ist wirklich wahnsinnig schnell.

Angenommen wir haben ausreichend abgebremst und treten unter kontrollierten Bedingungen in die Atmosphäre ein, dann müssen wir uns bald mit einer neuen Tatsache auseinandersetzen: Unsere Stange bewegt sich nicht mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Erde. Nicht einmal annähernd. Das Land und die Luft unter uns bewegen sich sehr schnell relativ zu uns. Wir tauchen in extrem starke Winde ein, den Grund dafür habe ich eingangs zwar schon kurz erwähnt, aber ein detaillierter Blick kann nicht schaden.
Der Mond umkreist die Erde auf seiner Bahn alle 29 Tage mit einer Geschwindigkeit von einem Kilometer pro Sekunde. So schnell ist auch die Spitze unserer Stange, weil die ja auf dem Mond angeschraubt ist. Das untere Ende der Stange muss einen viel kürzeren Weg in der selben Zeit durchlaufen, ist somit also recht langsam und kommt auf eine Geschwindigkeit von nur ca. 50 km/h.

50 km/h klingt gar nicht so schlecht, aber unglücklicherweise dreht sich nicht nur der Mond um die Erde, sondern die Erde dreht sich auch noch um sich selbst. Ihre Oberfläche bewegt sich um einiges schneller als 50 km/h, nämlich am Äquator mit über 1.600 km/h (!)


Das Ende unserer Rutschstange bewegt sich also recht langsam relativ zur gesamten Erde, aber sehr schnell relativ zu Erdoberfläche! Die Angabe der Geschwindigkeit relativ zum Boden wird auch bei Flugzeugen angewandt, so wird die Fluggeschwindigkeit angegeben und heißt dort Groundspeed. Je nach Wind kann diese erheblich von der Geschwindigkeit relativ zur umgebenden Luft (Airspeed) abweichen. Die Berechnung der Mond-Groundspeed ist kompliziert, da sie abhängig von der tatsächlichen Position des Mondes stark schwankt. Zum Glück nicht sehr stark, normalerweise im Bereich zwischen 390 m/s und 450 m/s, also knapp über der Schallgeschwindigkeit, Mach 1. Der exakte Wert ist für unseren Stangenversuch unerheblich.

Die Änderung der Groundspeed des Mondes verläuft äußerst regelmäßig, annähernd in Form einer Sinuskurve. Zwei Mal im Monat gibt es einen Maximum, wenn sich der Mond über dem sich schnell bewegenden Äquator befindet, zwei Mal gibt es einen Minimalwert, wenn er sich über den Wendekreisen befindet. Seine eigene Geschwindigkeit ändert sich auch, je nach dem ob er auf seiner Bahn gerade näher oder weiter entfernt zur Erde ist. In Summe ergibt das eben diesen sinusartigen Geschwindigkeitsverlauf:

Okay, dann können wir ja jetzt springen!

Na schön. Es gibt tatsächlich noch einen weiteren Zyklus, den man in der Berechnung der Mond-Groundspeed berücksichtigen kann. Die Mondbahnebene ist um 5° zur Ebene der Erdbahn geneigt, während die Erdachse um 23,5° zu dieser Ebene geneigt ist. Das führt dazu, dass die geographische Breite des Mondes im Verlauf eines Jahres vom nördlichen Wendekreis zum südlichen Wendekreis und wieder zurück wechselt. Weiters „eiert“ die Mondumlaufbahn in einem 18,6-jährlichen Zyklus um sich selbst, wie ein Teller, der drehend auf einer Stange balanciert wird (das heißt Präzession, Kreisel machen auch diese Bewegung).
Wenn nun die Bahn des Mondes in die gleiche Richtung wie die Erde geneigt ist, erreicht seine maximale Breite 5° weniger als die Sonne und wenn die Bahn entgegengesetzt zur Erde geneigt ist, erreicht der Mond eine um 5° höhere Breite. Höhere Breite bedeutet weiter weg vom Äquator, und das wiederum bedeutet eine geringere Groundspeed, die unteren Enden der Sinuskurve gehen also weiter hinunter. Über die nächsten Jahrzehnte berechnet sieht das so aus:

Die Maximalgeschwindigkeit bleibt konstant, aber die Minimalgeschwindigkeit schwankt alle 18,6 Jahre mit der Präzession der Mondbahn. Das nächste Mondgeschwindigkeits-Minimum wird am 1. Mai 2025 erreicht, wenn wir also mit dem Hinunterrutschen warten, können wir mit nur 390 m/s rechnen.

Wenn wir dann endlich in die Atmosphäre eintreten, wird das im Bereich des nördlichen oder südlichen Wendekreises passieren. Man sollte darauf achten, hier nicht in die Jetstreams zu geraten, das sind extreme Luftströme in der oberen Atmosphäre, es wurden bis zu 500 km/h gemessen. Wenn unsere Stange in so einen Jetstream ragt, müssen wir also weitere 50 bis 100 m/s zur Mond-Groundspeed addieren.
Ungeachtet der Tatsache wo exakt wir in die Atmosphäre eintreten, müssen wir prinzipiell mit Winden rechnen, die mit Überschallgeschwindigkeit wehen. Dafür sollten wir Schutzkleidung tragen, deren äußere Form an die eines Kampfjets erinnert. Weiters sollten wir uns gut festhalten, der Wind und daraus resultierende Schockwellen werden uns wild umherflattern lassen. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort: „Nicht der Sturz bringt einen um, sondern das abrupte Ende“. In unserem Fall wird es möglicherweise beides sein. Es gibt allerdings Menschen, die Unfälle mit Überschallgeschwindigkeit überlebt haben, es gibt also Hoffnung!

Irgendwann sind wir dann am Ende der Stange angelangt und müssen sie loslassen. Da es allerdings nicht schlau erscheint, auf einen Boden zu springen, der sich mit Überschallgeschwindigkeit unter einem wegbewegt, sollte die Sprunghöhe ungefähr dort sein, wo Verkehrsflugzeuge fliegen. Dort ist die Luft noch dünn und zerrt noch nicht so stark an uns. Wenn wir dann losgelassen haben und der Wind uns fortträgt, können wir unseren Fallschirm öffnen.

Zu guter Letzt gleiten wir sicher zu Boden und können stolz darauf sein, dass wir es rein durch Muskelkraft vom Mond bis zur Erde geschafft haben!

Man darf allerdings nicht darauf vergessen, die Rutschstange wieder zu entfernen, dieses Ding stellt eindeutig ein Sicherheitsrisiko dar!
